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Sharpless-Objekte überm Wolkenmeer

    Freiburg, 15.-16.01.10
    Geräte: 4"-ED-Bino 45° (Ego), 22"-Lowrider-Dobson (Reiner)
    Zeit: 21:30-04:00

    Nach scheinbar endlos langer Beobachtungsabstinenz durch die schlechte Wetterlage der letzten Monate, versprach eine Inversionswetterlage im Südschwarzwald endlich wieder einmal eine gute Beobachtungsnacht. Die Vorhersage sollte sich eindrucksvoll bestätigen! Ich hatte auf eine gute Nacht an diesem Wochenende spekuliert und daher extra keine Mühen gescheut mein neues 4"-ED-Bino mitsamt Stativ und Gabel nach Freiburg mitzuschleppen, um endlich einmal ein würdiges First-Light zu erleben. Neben der Premiere für das Bino sollte endlich auch einmal die Premiere für ein gemeinsames Beobachten mit Reiner Vogel von den Breisgauer Sternfreunden stattfinden (s. dort auch weitere Infos zu vielen der hier beschriebenen Objekte!). Und, wie der Zufall es wollte, Reiner liess sich nicht lange bitten und war, motiviert durch die guten Wetterbedingungen auf der Schauinsland-Webcam, sofort einsatzbereit, um seinen 22"-Lowrider ins Feld zu führen. Die Fahrt auf den Schauinsland erfolgte zunächst durch dichte Nebelschwaden auf glattem Geläuf, bevor dann auf etwa 1000m über NN die Nebeldecke durchstossen wurde und ein atemberaubender Sternhimmel auch schon aus dem Auto heraus sichtbar wurde. Als Beobachtungsplatz wurde auf Reiners Anraten hin diesmal der kleine Parkplatz direkt vor dem Sonnenobservatoriums des Kiepenheuer-Instituts gewählt. Reiner kam kurz nach mir dort an, gegen etwa 21:30. Sein 22-Zöller und mein 4"-Bino waren schnell aufgebaut und der Sternhimmel lag eindrucksvoll vor uns, lediglich durch ein paar Lampen der Skipisten getrübt, die aber bald abgeschaltet wurden. Nach Norden erstreckte sich ein eindrucksvoller Lichtteppich auf der Nebeloberdecke, verursacht durch die Stadtbeleuchtung von Freiburg, die dadurch quasi vollständig abgeschirmt wurde. Die Grenzgröße wurde nicht bestimmt, lag aber schätzungsweise bei besser als 6,5 mag!

    Reiner hatte schnell den offenen Sternhaufen NGC2362 (Tau-CMa) in seinem 22er eingestellt (24mm PanO), eine recht kompakte Anordnung schwächerer Sterne mit einem ausgeprägt hellen Zentralstern, der wohl noch mit zu den Haufenmitgliedern zählt. Damit wäre er einer der hellsten Sterne unserer Galaxie! Im 4"-Bino (2x19mm PanO) ebenefalls schön anzuschauen, ein Diamant im Gewimmel schwacher Haufensterne.
    Anschlissend stellte Reiner die Wolf-Rayet-Blase Sharpless S308 in seinem Dobson ein, mit OIII Filter schön abgegrenzt, das erste Sharpless-Objekt des Abends, welches ein Auftakt zu einer ganzen Reihe weiterer dieser Klasse werden sollte.

    Danach schwenkte ich zunächst zu den Plejaden M45, wunderschön anzuschauen mit den Reflexionsnebeln, hell und deutlich zu sehen, nicht nur um Merope herum. Weiter zum Californianebel NGC1499 (2x30mm Ultima), der ohne Filter nicht bzw. nur mit Augenverbiegen sichtbar wurde. Reiner hatte ihn schnell im 22er mit H-Beta-Filter (24mm PanO) und man konnte schön die Nebelwolke abfahren, eindeutig mit Struktur darin. Im Bino zeigte eine Kombination aus OIII-Filter (links) und H-Beta-Filter (rechts) dann auch den Nebel, der noch knap komplett im Gesichtsfeld stand.

    Motiviert durch den Erfolg am Californianebel versuchte Reiner sich alsbald am Barnardīs Loop S276, einem ausgedehnten Supernova-Überrest im Orion. Mit H-Beta Filter liess sich der Bogen im im24er PanO am 22"-Dobson schön abfahren. Im 4"-Bino war es möglich den nördlichen Teil des Bogens mit zwei UHC-Filtern (Reiner hatte ergänzend zu meinem einen baugleichen dabei) an den 30mm Ultimas (AP 6mm) auszumachen. Bei 4mm AP in den 19mm PanOīs war das bereits nicht mehr möglich! Unterhalb des Bogens viel sofort M78 als helle, kugelige Nebelwolke auf, ein heller Reflexionsnebel.

    Danach versuchten wir uns auch noch am Hexenkopfnebel IC2118, einem ausgedehnten Reflexionsnebel westlich von Rigel, der verantwortlich ist für dessen Leuchten. Er konnte jedoch nicht eindeutig ausgemacht werden, auch UHC-Filter halfen hierbei nicht.

    Reiner demonstrierte mir dann die Leistungsfähigkeit seines 22" Dobsons am Pferdekopfnebel B33, eingebettet in die HII-Region IC434. Wow, so habe ich den Pferdekopf noch nie gesehen, mit H-Beta Filter eindeutig die Kontur eines "Pferdekopfes" sichtbar, vor deutlichem Hintergrundglimmen des Nebels IC434! Mit dem dem 4" Bino und OIII/H-Beta Filterkombi hatte ich hier keine Chance auf eine Sichtung. Der Flammennebel NGC2024 mit Dunkelband war aber eindeutig auszumachen aber am besten ohne Filter.

    Anschliessend wurde mit IC2177 ein weiterer schwacher, galaktischer Nebel angepeilt. Mit H-Beta Filter in Reinerīs Dobson schön abzufahren mit eindeutiger Struktur im Nebel. Mit dem 4" Bino und zwei UHC Filtern schwer, aber der untere Teil unterhalb des schönen Sternhaufens M50, eindeutig sichtbar.

    Ein richtiger Kracher im 22" Dobson mit OIII-Filter war dann wieder Thorīs Helm NGC2359 mit Ausläufern IC468, die an einen mit Federflügeln geschmückten Wikinger-Helm erinnern. Im 4" Bino mit 2x19mm PanO und OIII/UHC Filter (links/rechts) auch eindeutig als Blase sichtbar, die Ausläufer jedoch nicht so deutlich.

    Während Reiner dann weiteren Sharpless Nebeln in der Wintermilchstrasse nachjagte (er hatte extra dafür fotografische Karten alter Poss-Platten dafür ausgedruckt), habe ich zunächst noch ein paar Standardobjekte im 4"-Bino abgegrast. Der Rosettennebel NGC2237-9/46 war ohne Filter kaum Wahrnehmbar, mit Filter OIII/UHC (links/rechts) aber deutlich, wenn auch nicht so kontrastreich, wie in größeren Instrumenten.

    Wunderschön anzuschauen war die Konstellation dreier Sternhaufen M46, M47 und NGC2423 in der Wintermilchstrasse im großen Hund (Canis Major, CMa), fantastisch im 4"-Bino mit 2x30mm Ultima und 6mm AP! Der planetarische Nebel NGC2438, welcher in M46 eingebettet ist, war besser mit OIII/UHC und 60-facher Vergrößerung mit 2x8,5mm Pentax auszumachen, wenn auch nicht dessen Ringstruktur.

    Ein schneller Schwenk durch die Milchstrasse auf die andere Seite des Horizonts zeigte den Pacman-Nebel NGC281 bei 26x mit 2x19mm PanO und OIII/UHC-Kombi schön strukturiert. Der Herznebel IC1805 konnte mit der gleichen Kombi aber nicht ausgemacht werden.

    Zwischenzeitlich konnte Reiner wieder mit drei Sharpless-Objekten aufwarten S254, S255 und S257, die wie drei Schneebälle in einer Linie aufgereit schienen. Im H-Beta Filter der westliche "Schneeball" groß und fluffig, die beiden anderen heller und kompakter. Hier macht Reiner darauf aufmerksam, dass es durchaus eine Vielzahl von Objekten für den H-Beta-Filter gibt (Reiner hat fast alle Beobachtungen an dem Abend mit diesem Filter gemacht!), ganz im Gegenteil zu dem was oftmals behauptet wird.

    Ich hatte mich da schon in den Fuhrmann vorgearbeitet und mich an der Kette offener Sternhaufen, M36, M37 und M38 erfreut, welche genial bei 17x im 4"-Bino rüberkommen, jeweils aufgelöst in viele Einzelsterne. Danach machte ich mich an die galaktischen Nebel IC410 und IC 405 heran, ersterer schön bei 27x mit OIII/UHC-Kombi, mit viel Struktur, letzterer sehr schwer und nicht eindeutig wahrnehmbar. Ganz im Gegenteil zum Ablick im 22"-Dobson, dort war mit H-Beta um den Flaming Star eine diffuse Nebelhülle erkennbar sowie eine bogenförmige Nebelstruktur nördlich davon, welche allerdigs nur schwer auszumachen war. Genial waren dagegen die "Kaulquappen"-artigen Strukturen in IC410, die beiden Sharpless-Objekte S129 und S130 anzuschauen.

    Danach hat Reiner den Quallennebel IC443 im Fusse des Zwilling eingestellt, mit OIII-Filter im 22" Dobson und dem 24mm PanO wird eine bogenförmige Schockfront sichtbar, die deutlich strukturiert ist. Mit meinem 4" Bino habe ich diesen Nebel nicht sehen können, trotz OIII/UHC Kombi. Unterhalb des Quallennebels, ebenfalls noch im rechten Fuss des Zwilling befindet sich auch noch der Affenkopfnebel Sharpless S252 um den Haufen NGC2175, der im 4" Bino mit OIII/UHC Kombi problemlos sichtbar wird und auch etwas Struktur zeigt. Da ich nun schon mal in der Nähe war, habe ich auch noch den offenen Sternhaufen M35 mit seinem Nachbarn NGC2158 aufs Korn genommen. Ein schönes Paar bei 17x mit Einzelsternen auch im kleinen Begleiter. In Reiners Dobson war auch noch der planetarischen Nebel Abell 21 mit OIII Filter ein Highlight, das "Ohr" das heute zu einer schönen Blase mutierte!

    Getrieben von dem gar nicht mal so schlechten Seeing schlug ich vor einmal die Trennung von Sirius A+B an Reiners 22" Dobson zu versuchen, was aber nach wenigen versuchen erfolglos blieb, das Seeing war dann doch einfach noch zu schlecht.

    Anschliessend habe ich noch einen Blick auf den Orionnebel M42/M43 erhaschen können, bevor der Orion hinter einer Baumgruppe verschwunden ist. Bei 17x ohne Filter bereits ein Highlight im 4" Bino, mit klar aufgelöstem Trapez. Bei 26x mit OIII/UHC Kombi sehr viele Strukturen sichtbar, u.a mit einem geschlossenen Bogen in Verlängerung der Schwingen.

    Im Osten waren mittlerweile schon die bekannten Frühlingssternbilder aufgegangen und ich versuchte mich mit dem 4" Bino am Kugelsternhaufen M3 in den Jagdhunden (CVn). Dazu habe ich 2x 8,5mm Pentax mit etwa 60x verwendet, aber die Vergrößerung reichte nicht aus, um Einzelsterne in M3 sichtbar werden zu lassen. Ganz anders in Reiners 22" Dobson, ein schön aufgelöster, kompakter Sternhaufen. Reiner hat dann noch M53 eingestellt, ebenfalls ein kompakter Kugelsternhaufen in dessen Nähe aber noch ein sehr schwacher Kugelhaufen NGC5053 mit wenig Sternen zu sehen ist.

    Zum Abschluss des Abends bzw. der fortgeschrittenen Nacht wurden noch ein paar Showpieces an Reiners Dobson eingestellt: die Strudelgalaxie M51 mit sehr detailreichen Spiralarmen, die Nadelgalaxie NGC4565 mit deutlich asymmetrisch angeordnetem Staubband, die Hickson Gruppe HCG 44 mit 4 kleinen Galaxien, deren mittlere ein Staubband zeigte sowie NGC2903 im Löwen, mit deutlich S-förmiger Spiralstruktur!

    Danach auch noch einen Blick auf Saturn mit immer noch sehr geringem Neigungswinkel der Ringe, das Seing war aber schon wieder deutlich schlechter geworden, und einen Blick auf Mars, dessen visueller Eindruck in etwa diesem Foto entsprach!

    Anschliessend wurde abgebaut, da die Uhr mitlerweile 3:45 angezeigt hat und die Kälte langsam durch die Schuhsohlen nach oben durchzudringen begann. Die Zeit ist wie im Fluge vergangen, immerhin waren wir bei Abfahrt 6 1/2 Stunden auf dem Berg, unglaublich eigentlich. Ein unglaublich guter Auftakt für das Beobachtungsjahr 2010, der für Vieles entschädigt, was im internationalen Jahr der Astronomie gefehlt hat. Hoffentlich geht es so weiter!?

    Clear Skies
    Thomas

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